St. Pauli überflügelt Leipzig: Ein Spiel wie mit Barcelona-Beteiligung
Vierzehn Jahre nach den Weltpokalsiegerbesiegern geht ein weiterer Höhepunkt in die Annalen der Kiezkicker ein - das Double, über Ligakrösus Leipzig. 1:0 gewann der FC Sankt Pauli eine packende Partie, die, trotz aller Mühe der Offiziellen die Rivalität klein zu reden, am Ende doch mehr war als nur ein Spiel. Jede gelungene Aktion wurde von den Rängen frenetisch gefeiert, der Gegner mit zahlreichen Schmährufen und feindseligen Plakaten versehen. Später erfolgte von der Gegenseite in Form von Trainer und Sportdirektor Ralf Rangnick der Vorwurf der Heuchelei. Und doch war der eigentliche Sieger am Ende des Tages der Fußball.
Früh erzielten die Boys in Brown in Barcelona-Manier das 1:0, das Marc Rzatkowski erst vor dem eigenen Sechszehner einleite und schließlich im gegenüberliegenden vollendete. Es folgten Jubelarien auf den Rängen. Nach einer Viertelstunde war es Schlussmann Robin Himmelmann zu verdanken, dass die Führung hielt. Nach einem Freistoß sah er sich gleich drei Leipzigern gegenüber, blieb aber nach guter Fußabwehr Sieger. Nach einer knappen halben Stunde wurde aber immer deutlicher, welche Klasse die Gäste besitzen. Konter über Yussuf Poulsen, ein Ball noch und der Weg zum Tor wäre blank gewesen, doch Waldemar Sobota streckte sich so lang bis er Querpass des Dänen erreichte.
‘I am Himmelmann‘
Die Akteure auf dem Feld ließen die Zuschauer in der Tat glauben, sie würden ein Barca-Spiel verfolgen – zumindest gemessen daran, wie tief die Heimmannschaft verteidigte. Doch Sankt Pauli machte seine Sache gut, vor allem durch die Mitte war für das Zweitliga-Starensemble kein Durchkommen. Doch dann ließ Gäste-Kapitän Dominik Kaiser den Ball für alle überraschend durch die Beine laufen der erreichte so Poulsen, der sich im Rücken der Abwehr davonstahl. Die Schussbahn war frei, doch der Däne erstarrte schon bei der schieren Präsenz von Himmelmann vor Ehrfurcht und verfehlte den Kasten. Kurz darauf war der Keeper nach einer Ecke mit einer Glanzparade dann aber leibhaftig in Aktion. Die Führung wirkte immer schmeichelhafter.
Die Pause war jedoch nur noch sechs Minuten entfernt. Bis dahin würde Himmelmann noch aushalten müssen. Zack, kam wieder ein Leipziger Schuss. Dieses Mal ein strammer Aufsetzer von Emil Forsberg. Für den Schlussmann offenbar kein Problem: Wieder gehalten. Wie Manuel Neuer gegen Algerien nur näher an der Torlinie. Und siehe da, Leipzig war noch voll im Angriffsmodus, da hatte Sankt Pauli überraschend die Möglichkeit, auf 2:0 zu erhöhen. Die Chance verpuffte jedoch ebenso so schnell wie sie aufgeflammt war, denn Lennart Thy stand da, wo ein Stürmer in der Regel nicht stehen sollte – im Abseits. Danach fand Leipzig allerdings unmittelbar den Respawn-Knopf und lief erneut an.
Duell der Meister im Chancen vergeben
Zweite Halbzeit, gleiches Bild: Leipzig drückt ohne Erbarmen auf das gegnerische Tor und St. Pauli verteidigt mit Mann und Maus, bekommt aber immer eine Fußspitze dazwischen. Entgegen des Spielverlaufs hatten die Hausherren, hervorgebracht durch eine Ecke, dann aber selbst die Chance zu Treffer Nummer Zwei. Doch Keeper Peter Gulacsi vereitelte Bernd Nehrigs abgefälschten Versuch überragend. Dann kam Davie Selke bei den Gästen ins Spiel, als wäre die Marschroute beim Primus nicht ohnehin schon klar gewesen. In der Folge wurde Leipzig für die Hamburger immer unkontrollierbarer, nur einer behielt stets den Überblick: In der 63. fing Himmelmann den satten Ball von Forsberg als würde er sein Aufwärmprogramm absolvieren. So eingeschüchtert vom vorherigem Versuch verstolperte Forsberg nur kurze Zeit später freistehend nach einer Ecke den Ball.
Entlastung für die Gastgeber gab es dann und wann zur Abwechslung. Erst holte St. Pauli einen Freistoß heraus, dann eine Ecke und dann noch einen Einwurf bis der Ball schließlich beim Leipziger Schlussmann landete und die Angriffsmaschine erneut ausschwärmte. Doch den nächsten Angriff landete erneut St. Pauli, nur um den Ball am Ende erneut in die Arme von Gulacsi zu geben. Doch so sehr sich Leipzig in der Folge auch bemühte, es sprang bis nichts Zählbares raus. Stattdessen mehrten sich die Chancen der‘ Boys in Brown‘, die jetzt mehr Chancen hatten als in Durchgang Eins. So wurde Nehrig nach einem Freistoß mustergültig bedient, der Außenverteidger setzte zum Volley an und zimmerte das Leder an die Querlatte – Pech für Braun-Weiß.
Großchance 33 1/3
Leipzig ließ sich jedoch nicht lumpen und verzeichnete im Gegenzug die gefühlte Großchance 33 1/3. Wieder Nichts. Neuer Versuch: nach Selke brachten die Gäste in Nils Quaschner erneut einen Stürmer für einen Defensivmann. Der Rest seiner Mannschaft war inzwischen bereits in der Hamburger Hälfte heimisch geworden. Dann aber noch einmal Angriff St. Pauli: Der eingewechselte Fafa Picault fing den Rückpass von Compper auf Gulacsi ab, umrundete den Keeper, nur um unerklärlicher Weise nicht mit links abzuschließen, sondern zu warten, bis der Ball auf dem Rechten ankam. Aus viel zu spitzem Winkel bugsierte er den Ball dann immerhin noch an Pfosten, der Abpraller fiel jedoch zu ungünstig für Jeremy Dudziak.
Wenig später stand Picault schon wieder im Mittelpunkt als er kurz hinter der Mittellinie versuchte, Leipzigs Keeper zu überlupfen. Die Reaktion der Fans auf diese Aktion ging in der atemberaubenden Dauerschleife der Anfeuerungsrufe unter. Und dann, nach einem weiteren St.-Pauli-Konter, hatte die Belagerung schließlich ein Ende. Die Leipziger hatten alles versucht, doch die Hamburger behielten die Oberhand. Spät im Spiel waren sie sogar selbst zu guten Chancen gekommen, ließen sich aber im Laufe des Spiels von der miserablen Chancenverwertung des Gegners anstecken. Egal, das goldene Tor von Rzatkowski besiegelte das Saison-Double über Leipzig nach zwei 1:0-Erfolgen. Ob der Prestige-Sieg den Braun-Weißen auch gegen den FSV Frankfurt (Freitag, 19.02., 18.30 Uhr) Flügel verleiht, wird sich zeigen, feststeht: Himmelmann hat sie schon.