Kommentar: Gebt Michael Oenning eine Chance!

Ein Trainer geht, ein neuer kommt – und die Welt beim 1. FC Magdeburg steht Kopf. Doch irgendetwas läuft anders als bei anderen Vereinen. Wo eigentlich Aufbruchsstimmung inmitten der Krise vorherrschen sollte, gibt es böse Häme, bitteren Sarkasmus und viel Pessimismus. Das hat Michael Oenning nicht verdient. Ein Kommentar.

Ist der Ruf von Michael Oenning gerechtfertigt?

Es gibt Übungsleiter, die sich einen gewissen Ruf erarbeiten, der an ihnen partout kleben bleibt. Über Robin Dutt und Tayfun Korkut etwa wird meist müde gelächelt – sie gelten als Synonyme der mangelnden spielerischen Weiterentwicklung, gescheiterter Karrieren, Misserfolge. Auch Michael Oenning zählt zu diesem Kreis, weil er selten dort anheuerte, wo Erfolg zu holen war. Doch das Gefühl jener Fußballfans, die glauben, er habe bereits zahlreiche Profivereine verschlissen, es trügt. Von 2008 bis 2009 stand er als Chef an der Seitenlinie beim 1. FC Nürnberg, 2011 übernahm er interimsweise beim Hamburger SV, woraus eine Festanstellung als Coach entwuchs – zumindest für einige Monate. Mehr war da nicht, zumindest nicht auf deutschem Boden. Oenning tauchte eine Weile ab, trainierte zuletzt Vasas Budapest in Ungarn. Jetzt muss er in Magdeburg zusehen, die wütende und enttäuschte Meute besänftigt zu bekommen.

Oenning wird zum Frust-Ventil

Für viele Fans ist Oenning lediglich ein naheliegendes Ventil, den Frust über das plötzliche Aus von Jens Härtel abzulassen. Das macht es für den 53-Jährigen, der ohnehin in gewaltige Fußstapfen treten muss, gewiss nicht leichter. Alle Augen richten sich von Beginn an auf ihn, die gehässigen Kommentare waren schon vor der allerersten Trainingseinheit da. Bemerkungen wie "So ein erfolgloser und blasser Trainer!", "Wärst du doch in Budapest geblieben" und "So eine Flasche" durften FCM-Fans von ihresgleichen schon während des Livestreams der Vorstellungs-Pressekonferenz lesen – nicht von allen, aber von vielen. Die Skepsis ist gewaltig und man mag sich kaum vorstellen, was passiert, wenn Oenning nicht ab dem ersten Spiel abliefert. Fair ist das ihm gegenüber nicht. Er hat eine Chance verdient, genauso wie die ebenfalls stark kritisierten Mario Kallnik und Maik Franz beweisen dürfen, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Eine undankbare Aufgabe

Als wäre es nicht undankbar genug, einen Trainer zu beerben, der beim 1. FC Magdeburg zwei Aufstiege in wenigen Jahren gefeiert hat. Die Fußstapfen einer Ikone an der Seitenlinie sind kaum zu füllen. Beim FCM, der zwischen 2009 und 2014 so viele Übungsleiter verschlissen hatte, war endlich so etwas wie Konstanz eingekehrt, gepaart mit der erfolgreichsten Phase seit vielen Jahrzehnten. Umso schwerer ist es nun, sich von der zugegeben romantischen Vorstellung zu trennen, die Beziehung zwischen Magdeburg und Jens Härtel würde möglicherweise ewig halten. Doch man blicke etwa zurück in die Liga, aus der man gekommen ist. Eintracht Braunschweig entließ Torsten Lieberknecht – und stürzte noch viel tiefer, als man sich je vorstellen konnte. Fortuna Köln musste Uwe Koschinat nach Sandhausen ziehen lassen – und kassierte zwei deftige Niederlagen mit 0:13 Toren.

Was bringt eine negative Grundhaltung jetzt?

Noch spricht überhaupt nichts dafür, dass die Lage beim FCM bald ähnlich aussieht. Vielleicht fehlte tatsächlich der neue Impuls im Team, das genau wie das Umfeld des Klubs nach vier mega-erfolgreichen Jahren am Stück erst wieder lernen muss, mit einer handfesten Krise umzugehen.  Was jeder Fan, so verbittert er auch über das Härtel-Aus sein mag, Michael Oenning nun geben muss, ist zumindest das Grundvertrauen, Magdeburg aus der Misere führen zu können. Wer die Situation in Magdeburg allein aufgrund der negativen Einstellung zum neuen Cheftrainer als ausweglos abmoderiert, tut mit diesem Pessimismus niemandem einen Gefallen. Weder Oenning, noch der Mannschaft und erst recht nicht sich selbst.

 

 

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