Die „Alte Dame“ war zu erfahren für Heidenheim Pokalhelden

„Man muss ehrlich sagen, dass Hertha über 90 Minuten die bessere Mannschaft war. Das Spiel ist für uns aber bereits abgehakt, was für uns zählt ist die Meisterschaft, da spielen wir bereits am Samstag gegen Sandhausen“, so lautete das einfache, aber klare Fazit von FCH-Coach Frank Schmidt nach der knappen Viertelfinalniederlage gegen Hertha BSC. Mit 2:3 (1:2) musste sich der Zweitligist dem aktuell Drittplatzierten der Bundesliga geschlagen geben.

Weniger Zuschauer, mehr Stimmung

Welch ein Tag für den Heidenheimer Fußball. Mittwochabend, Flutlicht, Pokalviertelfinale. Da möchte man meinen, dass die Karten nur so weggehen, aber weit gefehlt. 11.900 lautete die offizielle Zuschauerzahl. Das liegt sogar unter dem aktuellen Heimschnitt während den regulären Ligaspielen. Wie kommt es zu solch einer Zahl? Es mag an den hohen Preisen für die Businesskarten liegen, die sonst immer den Sponsoren zur Verfügung stehen, oder ist auch der Tatsache geschuldet, dass sich viele einfach einen noch größeren Namen als Gegner gewünscht hätten. Jedenfalls sah man zahlreiche Lücken auf der Haupttribüne und der Westtribüne. Umso verwunderlicher, dass die Stehplatzbereiche auf der Süd-, und Osttribüne voll waren. Selbst die Treppenaufgänge, die auch bei besser besuchten Spielen bestmöglich freigehalten werden, waren mit Zuschauern besetzt. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch. Auch wenn eine Laola-Welle kurz vor Anpfiff, initiiert aus dem Heidenheimer Fanblock, ein Teil der Haupttribüne erfolgreich zu verhindern wusste. Was gesanglich aus beiden Fanlagern kam, war eines Pokalviertelfinals absolut würdig. Als zusätzlicher Stimmungsanheizer diente der furiose Start der Gastgeber. Früh pressten sie den Bundesligisten in die eigene Hälfte und kamen durch Bard Finne auch zur ersten aussichtsreichen Schussgelegenheit. Rune Jarstein wehrte den Ball aber zur Ecke ab. Dies hatte schwere Folgen für die Berliner. Marc Schnatterer trat den Ball sehr nah vors Tor, Jarstein schien den Ball locker aufnehmen zu können, aber Arne Feick war hellwach und spitzelte den Ball vor Jarsteins Händen über die Torlinie (10.).

Doppelschlag sorgt für Ernüchterung

Die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, eine mögliche Sensation schien nun um einiges realistischer zu sein. Die überschwängliche Freude musste aber schnell einen herben Dämpfer hinnehmen. Über die rechte Seite kombinierten sich die Hauptstädter spielend leicht nach vorne, an dessen Ende ein richtig positionierter Vedad Ibisevic stand und den Ball am zweiten Pfosten ins Tor bugsierte (14.). Nun blitzte die spielerische Klasse des Bundesligisten ein ums andere Mal auf. Ein Déjà-vu erlebten die Zuschauer dann nur wenige Minuten später, als wieder die linke Defensivseite des FCH der Schlüssel zum Erfolg für die Berliner war. Von dieser war es wieder der kaltschnäuzige Ibisevic, der sich seines Gegenspielers entledigte und den Ball direkt im kurzen Eck unterbrachte (21.). „Das erste Gegentor kassieren wir zu schnell, das Zweite bekommen wir zu billig“, so Schmidt zu den Gegentreffern. Die Stimmung ebbte ab, da nun das Vorhersehbare eingetroffen ist, aber nicht nur der Rückstand war Stimmungskiller. Bis zum Halbzeitpfiff spielte fast nur noch eine Mannschaft. Die Heidenheimer waren merklich verunsichert und Berlin ließ den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren im Stile einer abgezockten Topmannschaft. Nur einmal vor der Halbzeit spielten die Berliner noch zielstrebig nach vorne. Dabei war John Anthony Brooks so sträflich frei im Strafraum, dass er Zeit hatte den Ball anzunehmen und sich quasi eine Ecke hätte aussuchen können, aber es dauerte dann doch etwas zu lange, sodass die Heidenheimer im Verbund den Ball klären konnten.

Strauß´ schwere Verletzung hemmt Heidenheim

Direkt vor dem Halbzeitpfiff trauten sich die Heidenheimer doch nach vorne und erhielten einen Freistoß aus zentraler Position. Schnatterer nahm sich der Sache an und schlenzte den Ball flach um die Mauer, aber verfehlte dabei auch das Tor um wenige Zentimeter. Mögliche Angriffsbemühungen im zweiten Spielabschnitt wurden bereits früh gestoppt. Robert Strauß setzte sich im Zweikampf gegen Salomon Kalou durch, dieser stürzte aber so unglücklich auf das Knie von Strauß, dass dieser zwei Minuten lang behandelt werden musste und schließlich mit der Trage abtransportiert wurde (47.). Für Gefahr sorgten anschließend nur noch die Berliner, auch wenn Sebastian Langkamp froh war, dass sein Versuch nicht im Netz landete. Feick trat nämlich einen scharfen Ball an den Fünfmeterraum und Langkamp kam mit dem Knie dazwischen und klärte den Ball neben den Pfosten zum Eckball. Bezeichnend dazu fiel dann das Tor auf der anderen Seite. Quasi im Alleingang machte Genki Haraguchi die gesamte FCH-Defensive nass. In bester Felix Neureuther Manier umkurvte er drei Gegenspieler wie Slalomstangen, kam mit letztem Einsatz noch zu einem Abschluss, welcher dann auch neben Kevin Müller zum 1:3 einschlug (58.). Die endgültige Entscheidung vergab Vladimir Darida, welcher am Elfmeterpunkt an den Ball kam, dort scheiterte er an Müller, welcher dann auch entschlossen nachsetzte und Darida den Ball direkt vor den Füßen klaute.

Heidenheims Stärken werden zu spät geweckt

Die „Alte Dame“ stand weiter sehr sicher und gab den Hausherren keine Möglichkeit zur Entfaltung. So suchte man vergeblich nach einer Aktion oder Chance, die die Hoffnung auf eine Sensation noch einmal aufleben lassen würde. Die letzte Viertelstunde brach an und es sollte noch einmal etwas Spannung in das Spiel kommen. Berlin versteifte sich zu sehr auf die Defensive und wurde immer weiter in die eigene Hälfte gedrückt. Das kam den Heidenheimern sehr gelegen, welche nun wieder stärker wurden und durch ein leidenschaftliches Auftreten und vollen Einsatz das Publikum wieder mitreißen konnte. Dies zeichnet den Heidenheimer Fußball auch aus, ein unglaublich gestärktes Mannschaftsgefüge, welches immer an seine Chance glaubt und bis zur letzten Minute durch einen kämpferischen hohen Einsatz versucht ein Spiel noch in die andere Richtung zu lenken. So ermöglichte Mitchell Weiser, der viel zu überheblich und locker die letzten Minuten absolvierte, den Heidenheimer Anschlusstreffer. Nach eigenem Ballverlust grätschte er Robert Leipertz im eigenen Strafraum um. Schnatterer behielt die Ruhe und verwandelte sicher in das rechte untere Eck (81.). Nun witterte Heidenheim wieder die Chance und ging forsch zu Werke. Umgehend nach dem Anschlusstreffer setzte der eingewechselte Ben Halloran den Ball nur knapp neben den Pfosten. Angepeitscht von den Fans warf der FCH alles nach vorne. Zum Teil mit sechs Mann am gegnerischen Strafraum schoben sich die Heidenheimer den Ball zu, aber die kompakte Hertha-Defensive verhinderte ein Durchkommen. Geschickt gelang es den Berlinern viel Zeit von der Uhr zu nehmen und so den letzten Zahn der Heidenheimer zu ziehen. Nach fast 95 Minuten ertönte dann der Schlusspfiff. Was bleibt an solch einem Pokalbabend letztlich hängen? Ein Bundesligist, der nach Anlaufschwierigkeiten seiner Rolle mehr als gerecht wurde und wohl nicht einmal 100% des Leistungsvermögens abgerufen hat. Und auf der anderen Seite der Zweitligist aus Heidenheim, der eine herausragende Pokalsaison spielte, sich aber eingestehen musste, dass die Hertha an diesem Tag einfach eine Nummer zu groß gewesen ist. Stattdessen fokussiert sich der FCH auf den Ligaalltag, der bereits am Samstag mit dem Heimspiel gegen den SV Sandhausen wieder beginnt.

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