MSV Duisburg: Wer nicht hüpft, der ist kein Zebra

Düster wird es im Tabellenkeller für den MSV Duisburg, bei dem die Gäste aus dem Erzgebirge am Sonntag drei wichtige Punkte im Abstiegskampf sammelten. Trotz guter erster Hälfte und Pausenführung fehlte den Zebras die Durchschlagskraft. Bei den Duisburgern stellt sich daher die Charakterfrage, denn dieses Problem besteht nicht erst seit gestern. Ein Kommentar.
Ernüchterung statt Euphorie
Wie ein einsames Teelicht flackert der bisher gesammelte Punkt des MSV Duisburg in der Düsternis des Tabellenkellers. Cauly Oliveira Souza entfachte dieses für seinen Trainer Ilia Gruev, als er gegen Union Berlin seinen Treffer – ungewollt mit dem Schienbein – erzielte. Überflüssig ist die Bemerkung, dass diese Ausbeute aus dem Saisonstart natürlich nicht ausreicht. Dabei sah in der Sommerpause noch alles ganz anders aus, denn nach einem spektakulären siebten Platz in der Vorsaison hielten die Verantwortlichen der Zebras alle Hebel in der Hand, um den Kader zu verbessern.
Oft klagte die Fangemeinschaft in den letzten Jahren darüber, dass alteingesessene Spieler augenscheinlich aus Dankbarkeit neue Verträge erhielten – eine bewährte, aber gewagte Theorie, die in dieser Sommerpause dann auch strikt ad absurdum geführt wurde. Spieler, die häufiger zwischen Bank und Tribüne rotierten, als dass sie auf dem Platz standen, wurden ebenso verabschiedet wie Publikumsliebling Kingsley Onuegbu. Sportliche Gründe waren ausschlaggebend, der Kader wurde daraufhin in der Breite verstärkt. Dennoch steckt der Wurm nach den ersten sechs Spieltagen tiefer in der Mannschaft, als die Titanic im Meeresgrund versunken ist – so zumindest die aktuelle Gefühlslage.
Torwartfrage korrigiert
Bleibt die große Frage nach der Ursachenforschung. Bis auf Keeper Mark Flekken wurden alle Leistungsträger gehalten. Mit der daraus resultierenden Torwartfrage haben sich die Verantwortlichen der Zebras keinen Gefallen getan, denn Daniel Davaris Standing bei den Fans dürfte auch Torwarttrainer Sven Beuckert bewusst gewesen sein. Dass der Keeper bei den ersten schlechten Spielen zum Sündenbock erklärt würde, ist nicht gerecht und auch nicht angebracht, aber leider zu erwarten gewesen.
Trotzdem war es legitim, sich für Davari als Nummer eins zu entscheiden, denn Erfahrung und Eingespieltheit sprachen für den 30-Jährigen. Zumal ein Wechsel von Davari auf Ersatzmann Daniel Mesenhöler den Fans besser geschmeckt haben dürfte, als es vermutlich andersherum der Fall gewesen wäre – dann wäre die Torwartposition erst Recht zerrissen worden, hätte Mesenhöler sich grobe Patzer erlaubt. Nun steht also der 23-Jährige im Tor, der "Fehler" wurde korrigiert. Ist nicht schön, kann aber passieren – auch in höheren Spielklassen geht die Torwartfrage manchmal nicht optimal aus, wie man auch beim FC Augsburg erfahren musste.
Individuelle oder Trainer-Fehler?
Bleibt natürlich die Trainerfrage. Dass Ilia Gruevs Stuhl nach fünf Niederlagen gehörig wackelt ist ein Automatismus, doch als einer der mittlerweile dienstältesten MSV-Trainer hat der Deutsch-Bulgare noch Kredit. Berechtigterweise. Denn auch ein Jens Keller, Uwe Neuhaus oder Markus Weinzierl stünden wohl fassungslos am Spielfeldrand, wenn auf dem Platz immer wieder individuelle Fehler zur Niederlage führen. Neu-Papa Gerrit Nauber hätte vor dem Spiel gegen Fürth wohl auch jedem anderen Trainer gesagt, dass er einsatzbereit wäre. Kevin Wolze wird sich wohl selbst gefragt haben, warum er den Zweikampf mit Akaki Gogia gegen Union Berlin gescheut hat. Lukas Fröde weiß auch, dass er die Partie gegen Aue mit Glück zu Ende bringen durfte, statt mit Rot vom Platz zu fliegen.
Natürlich stellt sich Trainerfrage bei den Zebras, weil all diese Punkte mit Aufstellungs- und Einstellungsfragen argumentiert werden können. Gleichzeitig aber sollte sich die Mannschaft hinterfragen. Wo sind diese Leistungsträger, die gehalten werden konnten? Saisonübergreifend sammelten die Zebras aus den letzten 16 Spielen nur magere 12 Punkte – die 5:0-Klatsche gegen Holstein Kiel, als die Chance auf den Aufstiegsrelegationsplatz bestand, führte schon vor längerer Zeit zum Mentalitätsbruch.
Charakterfrage an die Mannschaft
Seither stehen die Spieler in der Pflicht, doch bis auf den Saisonendspurt wurde nicht mehr viel geliefert. Die Mannschaft muss sich die Charakterfrage stellen, denn wohin ist der so viel gelobte Mannschaftsgeist? Es wird ja wohl nicht nur an "King" Onuegbu gelegen haben, der in der Kabine die Musik auflegen durfte. Führungsspieler wie Kapitän Wolze oder seine Ersatzmänner Fröde und Schnellhardt spielten bislang – bis auf Ausnahmen – fernab jeglicher Normalform. Identifikationsfiguren wie Stoppelkamp oder Iljutcenko blieben blass. Ein umworbener Spieler wie Borys Tashchy konnte zwar im Pokalspiel das entscheidende Tor erzielen, wirkt im Ligaalltag allerdings gedanklich gehemmt.
Auch Cauly, dem bereits im letzten Winter Interesse aus der Bundesliga nachgesagt wurde, spielt noch nicht so befreit auf, wie man es von ihm kennt – wenngleich der flinke Brasilianer einer der wenigen Lichtblicke im bisherigen Offensivspiel war. Getreu dem Fangesang "Wer nicht hüpft, der ist kein Zebra", stellt sich beim MSV Duisburg daher die Frage, welcher Spieler denn aktuell ein Zebra sein will und wieder bereit ist, sich für den Verein zu zerreißen. Denn sonst wird spätestens nach der englischen Woche einer dafür büßen, bei dem die Identifikation am Eindeutigsten ist: Trainer Ilia Gruev.