Schiedsrichter im Fokus: Siebert erklärt Nordderby-Entscheidungen

25.000 Zuschauer besuchten am Sonntag das Nordderby zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen (2:3). Mit den Entscheidungen von Schiedsrichter Daniel Siebert gaben sich vermutlich nur wenige HSV-Anhänger zufrieden. Der Referee bezog deshalb unmittelbar nach Abpfiff noch Stellung zum Geschehen - und bedankte sich.

Elfmeter bekam Vorrang vor Abseits

Zwei strittige Elfmeter und ein aberkanntes Tor vom HSV bildeten die Ausgangslage im Volksparkstadion. Dass die Schiedsrichter-Entscheidungen nicht zur guten Stimmung beitragen würden - sowohl bei den Fans, als auch bei den Beteiligten - liegt auf der Hand. "Lächerlich", fand beispielsweise Jonas Meffert den Elfmeterpfiff gegen sich. Ein Bremer Schuss aus der zweiten Reihe touchierte die Hand des HSV-Mittelfeldspielers und leitete zu Leonardo Bittencourt weiter, der in Abseitsstellung anschließend traf. Daraufhin gab es zur Verwunderung vieler Zuschauer Elfmeter für Bremen.

Nach "aktueller Auslegung" pfiff Daniel Siebert den Strafstoß. "Der Videobeweis hat mich darüber informiert, dass die Hand seitlich vom Körper leicht angewinkelt ausgestreckt ist. Das Problem von dem Verteidiger ist in dem Moment, dass nur das Handspiel die Flanke unterbindet und die Flanke blockt", erklärte der Unparteiische bei "Sky". Siebert drehte die Herleitung des Elfmeters um - auch, um zu erklären, warum Bittencourts Treffer anschließend nicht zählte, sondern der Strafstoß Vorrang bekam: "Wenn diese Flanke mit dem Knie oder mit dem ausgestreckten Fuß geblockt worden wäre, dann würden wir auch nicht von einer neuen Situation reden. Dann würde diese strafbare Abseitsposition strafbar bleiben." In dem Sinne sei Mefferts Abwehrversuch ein Blocken des Balles gewesen, kein bewusstes Abfangen oder Weiterleiten des Balles - und entsprechend ein Handspiel, das geahndet werden musste.

"Gebe nicht auch noch dritte Entscheidung gegen den HSV"

Doch damit war der Arbeitstag von Daniel Siebert noch nicht vorbei. Nur wenig später pfiff der Schiedsrichter nämlich den vermeintlichen Ausgleich weg, weil Robert Glatzel seinen Gegenspieler Ömer Toprak in dessen Torwart schob. "Wir können nicht sagen, dass es ein Zweikampf um den Ball ist. Wir haben nicht gesehen, dass Glatzel schon zum Ball hochspringt und den Ball aufs Tor köpfen möchte in dem Zweikampf mit Toprak. Für mich hat Toprak die bessere Position zum Ball", nahm Siebert die Kritiker erneut bei seinem Gedankengang mit. "Wir sehen Glatzel, der hinter ihm mit beiden Händen Toprak in den Torwart reinschiebt. Dadurch verliert Toprak so ein bisschen die Balance zum Ball und prallt mit dem Torwart zusammen. Für mich war das auschlaggebend und ausreichend, dass ich auf Foul entscheide."

Die Hamburger dürften das naturgemäß milder bewertet haben, hatten aber auch bei Entscheidungen für sich das nötige Glück. Als Meffert doch noch den regelkonformen Ausgleich erzielte, hielt eine mögliche Abseitsstellung der Überprüfung stand. Auch in einer Zweikampfszene mit Mitchell Weiser und Faride Alidou entschied Siebert zuvor für den HSV - aus einem einfachen Grund: "Wenn ich vorher zwei strittige Situationen gegen den HSV pfeife und habe so eine Situation, wo man Foul geben kann, aber nicht muss, dann gebe ich da nicht auch noch die dritte Entscheidung gegen den HSV."

Sieberts Dank für Spielerreaktionen

Zum Abschluss folgte aber doch noch ein weiterer Elfmeterpfiff - für die Grün-Weißen. HSV-Cheftrainer Tim Walter pfefferte zu dem Zeitpunkt bereits bedient seine Jacke in die Trainerbank. Beim Handspiel von Bakery Jatta sah Siebert jedoch keinen Ermessensspielraum. "Die Hand ist ja fast auf Schulterhöhe, auf Kopfhöhe. Auch hier haben wir wieder die Situation wie bei der ersten Szene, dass der Ball erwartbar ist", erklärte der Unparteiische, dass Jatta mit einem Schuss hätte rechnen müssen. "Auch wenn der Spieler sich wegdreht, ist das kein Alibi und keine Entschuldigung, dass vorher die Hand in einer Position ist, die nach aktuellen Regeln strafbar ist."

Hinter Siebert und den Mannschaften liegt somit zweifelsohne ein kniffliges Nordderby, bei dem das Regelwerk ganz genau gelesen werden musste. Obwohl es nach der Partie kritische Stimmen gab, war der Unparteiische für die Reaktion auf dem Feld dankbar. "Ich fand es klasse, trotz der strittigen Situationen und der hitzigen Atmosphäre, wie beide Mannschaften mich als Schiedsrichter akzeptiert haben", lobte Siebert, der diese Reaktion heutzutage "nicht selbstverständlich" sieht. "Dafür wollte ich mich in der Öffentlichkeit bedanken, genauso wie ich es auch bei den Spielern gemacht habe." Den HSV-Fans wird es wohl dennoch ein schwacher Trost bleiben.

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