Kommentar: So darf man nicht verlieren

Nach der katastrophalen Leistung seiner Mannschaft im Derby gegen Dynamo Dresden zieht Cheftrainer Pavel Dotchev die Konsequenzen und reicht beim FC Erzgebirge Aue seinen Rücktritt ein. Nicht die Höhe, sondern die Art und Weise wie die Mannschaft auftrat, dürfte den Ausschlag gegeben haben. Ein normales Spiel darf man vielleicht so verlieren, aber ein so prestigeträchtiges Derby zuhause sicher nicht. Warum scheiterte Dotchev, ist er der Schuldige und kann Aue das Ruder noch herumreißen? Ein Kommentar.

Vom Erfolgstrainer zum Buhmann

Als Pavel Dotchev sein Amt beim FCE antrat, war der Verein abgestiegen. Ohne Spieler und ohne große finanzielle Mittel baute der Bulgare zusammen mit Sportdirektor Steffen Ziffert ein neues Team auf und schaffte gleich den direkten Wiederaufstieg. Dotchev formierte die stärkste Abwehr der Drittliga-Geschichte und spielte insbesondere in der Rückrunde attraktiven Offensivfußball. Im heimischen Stadion waren die Veilchen geradezu unschlagbar, den Sachsenpokal holten sich die Kicker obendrein. Ein kleines Fußballwunder im beschaulichen Erzgebirge, doch die Euphorie verpuffte schnell, auch weil es neben dem Platz kräftig im Verein brodelte. Aue rutschte schnell in den Abstiegskampf und die Mannschaft verlor ihre Heim- und Abwehrstärke, Dotchevs Fußballrezept schmeckte in der 2. Liga nicht mehr. Offensiv zeigte die Mannschaft gute Ansätze, doch die Balance zwischen den anderen Mannschaftsteilen und die Konstanz des jungen Teams ließen zu wünschen übrig. Nachdem auch in der Rückrunde die Siege ausblieben war der Aufstiegsbonus bei den Fans endgültig aufgebraucht und die Rufe nach einem neuen Trainer wurden laut.

Kein System, keine Spielidee, keine Mentalität

War man in der Hinrunde noch davon überzeugt, dass die Mannschaft nur in einer Ergebniskrise steckte, so offenbarte die Derbyklatsche alle Schwachstellen der Mannschaft und des Trainerteams. Eine echte Stammelf spielte sich nie zusammen, ständig änderte Dotchev die Aufstellung und Taktik, auch aufgrund schlechter Leistungen. Im 4-3-3 wirkte die Mannschaft am Wochenende völlig überfordert und wie schon gegen Fürth oder Sandhausen war von einer zündenden Spielidee und einem roten Faden im Aufbau nichts zu sehen. Doch was Fans und Verantwortliche wohl am meisten schockiert haben dürfte, war die Lustlosigkeit und das fehlende Engagement der Mannschaft. Keine Gegenwehr, kein Aufbäumen, kein Charakter, so geht man nicht zuhause in ein Derby, so steigt man ab. Pavel Dotchev erreicht die Mannschaft nicht mehr und nimmt folgerichtig seinen Hut. Doch man spürt keine Erlösung, keine Vorfreude auf das Neue, wieder einmal verliert man einen durchaus kompetenten Trainer und fängt erneut bei Null an.

Hausgemachte Probleme

Wer glaubt, ein neuer Trainer könnte die Trendwende einleiten, wird enttäuscht werden. Seit dem Wiederaufstieg schreibt die Vereinsführung Negativschlagzeilen, die schwache Personalpolitik der letzten Monate ist auch einer der Hauptgründe für die sportliche Entwicklung in der 2. Liga. Die Unruhe um den Verein war Gift für die Geschlossenheit zwischen Fans und Club, die den FC Erzgebirge in den letzten Jahren stark gemacht hat. Es fehlt an fachlicher Kompetenz, in Sachen Kaderplanung vertrauten die Verantwortlichen nur auf Trainer Dotchev, der jedoch kein besonderes Geschick bewies. Alle Neuzugänge verstärkten nicht die Startelf, sondern hauptsächlich die Tribünenplätze. Wunschspieler wie Martin Toshev, Clemens Fandrich oder Dimitrij Nazarov enttäuschten bislang. Als im Winter dann dringend neue Spieler gebraucht wurden, vor allem in der Abwehr, blieb man bewusst untätig. Ein Fehler, wie sich jetzt herausstellt. Es fehlt der Mannschaft an Charakter und Qualität für den Abstiegskampf. Nicht umsonst forderten die Fans am Sonntag den Rücktritt des Vorstandes und nicht den des Trainers.

Wer wird der Wundermacher?

Noch hat der FC Erzgebirge keinen Nachfolger parat, hielt man doch so lange eisern an Pavel Dotchev fest. Egal wen der Verein auf den frei gewordenen Stuhl setzt, ein kleines Wunder ist von Nöten, um den Klassenerhalt zu schaffen. Die nächsten Gegner heißen Bielefeld, Karlsruhe, Bochum und St. Pauli, alles mehr oder weniger direkte Konkurrenten um den Klassenerhalt. Keines dieser Spiele darf man verlieren, wenn man noch eine realistische Chance haben möchte. Der neue Trainer brauch ein sofort funktionierendes System, Nerven aus Drahtseilen und muss mit einer verunsicherten und erfolglosen Mannschaft die Wende schaffen. Bislang kursierten nur Namen wie Aue-Legende Marco Kurth oder Steffen Baumgart, beide haben jedoch keine Erfahrung als Trainer im Profibereich.

 

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