Kommentierende Analyse: Arminia im freien Fall

Arminia Bielefeld befindet sich nach dem Abstieg aus der Bundesliga im freien Fall und belegt nach knapp einem Drittel der Saison den letzten Tabellenplatz. Was läuft schief bei den Ostwestfalen? Eine kommentierende Analyse.

1. Fehler über Fehler

Mit dem zweitteuersten Kader der 2. Bundesliga kann man eigentlich annehmen, dass ein Bundesliga-Absteiger in der Lage ist, sich ordentlich zu präsentieren. Der vor der Saison neu vorgestellte Trainer Uli Forte gab als Saisonziel selbstbewusst das obere Tabellendrittel aus. Während sicherlich niemand den direkten Wiederaufstieg erwartet hatte, geblendet von den starken Testspielen gegen Piräus oder Eindhoven, war man aber doch von einer zumindest soliden Spielzeit ausgegangen. Das kann aber natürlich nur funktionieren, wenn die teils neu zusammengestellte Mannschaft zueinander findet. Schwierig allerdings, wenn sich in beinahe jeder Partie der Arminia Fehler an Fehler reiht. Dabei ist gar nicht mal die unterdurchschnittliche Passquote des DSC gemeint, sondern die kapitalen Aussetzer in der Defensive, bei denen man mit dem Zählen schon gar nicht mehr nachkommt.

Eine völlig übermotivierte gelb-rote Karte von Silvan Sidler gegen Sandhausen (1. Spieltag), ein haarsträubender Rückpass von Ramos vor dem dritten Gegentor gegen Regensburg (2. Spieltag), Jäkels Fehlpass im Spielaufbau vor dem 0:1 gegen Rostock (3. Spieltag), Hüsings und Kapinos Missverständnis vor dem 0:1 gegen Hamburg (4. Spieltag), Kapinos Fehlgriff vor dem 0:1 gegen Heidenheim (5. Spieltag), Lasmes und Fraisls Abstimmungsprobleme beim 1:3 gegen Braunschweig (6. Spieltag), Fraisls Beinschuss beim 0:1 gegen Darmstadt (7. Spieltag), Oczipkas völlig unnötiges Foul vor dem 0:1 gegen Nürnberg (8. Spieltag), drei verlorene Kopfballduelle in Folge nach einem Einwurf beim 2:3-Treffer gegen Kiel (9. Spieltag) sowie Kapitalversagen bei beinahe allen Gegentoren gegen Düsseldorf (10. Spieltag) sind nur diejenigen Fehler, die letztlich auch zu Gegentoren führen.

Dazu kommt, dass der eigentlich als Stabilisator geholte und derzeitige Kapitän Oliver Hüsing nur ein Schatten seiner selbst ist und nicht an seine Leistungen aus Rostocker oder gar Heidenheimer Zeiten herankommt. Würde man die entstandenen Großchancen, Aluminiumtreffer oder vom Gegner vertändelten Möglichkeiten hier auch noch mit aufzählen, würde dieser Kommentar jeglichen Rahmen sprengen. Bei so ziemlich jeder Hereingabe in den Strafraum der Arminia brennt es lichterloh. Da bleibt nur das gute alte Phrasenschwein: So kannst du in einer Liga auch nicht bestehen.

2. Nur in der Defensive, keine Bindung der Mannschaftsteile

Mindestens ebenso erschreckend wie die Anzahl der produzierten Fehler bei den Blauen ist die desolate Bindung der verschiedenen Mannschaftsteile. Die Defensive der Arminia blieb bisher nie ohne Gegentor und wirkt allgemein schwer verunsichert. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. In einem 4-2-3-1 oder 4-4-2-System sind beim DSC häufig sechs Spieler in der Defensive gebunden. Dazu gibt es jeweils zwei Außenbahnspieler und zwei Stürmer, also nominell vier offensive Akteure. Zwischen diesen 6 und 4 besteht allerdings häufig überhaupt keine Bindung. Insbesondere Stürmer Janni Serra wirkt als 9er teilweise wie ein Fremdkörper und kann kaum einen Ball festmachen. Im Mittelfeld klafft zumeist ein kaum zu übersehenes Loch, wenn aus der Not weit geschlagene Bälle am Mittelkreis wieder vom Gegner aufgenommen werden. Da die Mannschaft zumeist noch sehr tief in der eigenen Hälfte steht, werden Ballverluste häufig besonders teuer, da der Gegner diese nicht weit entfernt vom Tor der Blauen erzielt.

Einzig der rechte Mittelfeldspieler Robin Hack versucht sich immer wieder als Lichtblick in der Rolle des Spielmachers, fehlt dann aber wiederum auf den Flügeln, auf denen er sich selbst anspielen müsste. Der eigentlich Spielmacher Marc Rzatkowski kommt in seiner Rolle auf der 10 überhaupt nicht zurecht, und der teure Massaya Okugawa klebt häufig auf seiner Außenbahn oder scheint seinem geplatzten Wechsel nach Augsburg nachzutrauern. Da ist es ja gut, dass die Arminia mit Manuel Prietl, Ivan Lepinjica, Sebastian Vasiliadis, Benjamin Kanuric und Jomaine Consbruch insgesamt fünf Defensive Mittelfeldspieler im Kader hat, aber keinen echten Kreativkopf. Neuzugang Mateo Klimowicz (der einzige echte offensive Neuzugang im Mittelfeld) konnte diese Rolle bisher auch nicht erfüllen. An dieser Stelle muss sich Kaderplaner Samir Arabi schon fragen lassen, wie er der schlechtesten Bundesliga-Offensive der letzten Saison nicht ein neues Gesicht verpassen konnte. Phrasenschwein-Einsatz Nummer 2: Geld schießt keine Tore, Arminia Bielefeld - zumindest ohne Beteiligung von Robin Hack - aber auch nicht.

3. Stur, Hartnäckig, Kämpferisch?

Nun könnte man ja annehmen, dass zumindest die ehemaligen Bundesliga-Spieler der Blauen die Tugenden des Vereins in der zweiten Liga annehmen und auf dem Platz das berühmte "Gras fressen". Ur-Armine Fabian Klos - der mit diesen Tugenden seine Gesichtsgesundheit schon zweimal aufs Spiel gesetzt hat - fehlt verletzt. Es wirkt bei den übrigen Spielern – übrigens unabhängig vom Spielstand – meistens so, als wäre jeder Pass zu weit und jeder Laufweg zu lang. Fairerweise muss man hier anmerken, bei den teilweise gespielten Pässen der Mannschaft von Trainer Daniel Scherning ist das auch regelmäßig so. Da darf man sich schon die berühmte Stammtischfrage stellen: Was machen die eigentlich im Training?

Allerdings schalten die Spieler selbst bei 50/50 Bällen auffällig früh ab, lassen das Leder ins Aus laufen oder übergeben es dem Gegner. Nächste Stammtischfrage: Wie will man denn so ein Spiel gewinnen? Mit stur, hartnäckig und kämpferisch hat das jedenfalls wenig zu tun. Vielmehr erinnerten vor allem die Spiele in Nürnberg und Düsseldorf phasenweise mehr an kollektive Leistungsverweigerung. Selbst Trainer Daniel Scherning, der aufgrund seines Werdegangs eine enge Bindung an Verein und Region hat, wirkt derzeit hilflos und ideenlos

4. Es wird geredet und nichts passiert!

Dass man sich diesen Tatsachen auf der Alm bewusst ist, liest hört man eigentlich in jedem Interview und auf jeder Pressekonferenz. So könne man nicht auftreten, das hätten die Fans nicht verdient, jeder müsse sich mal hinterfragen, man müsse anfangen Fußball zu spielen, es müsse nun eine Reaktion her... Man könnte eigentlich auch eine alte Aufnahme abspielen lassen, denn diese Sätze sind jedes Mal dieselben - wie übrigens auch die Ergebnisse.

Auch ist eine erschreckend beständige Schönrederei von Spielen oder Ergebnissen mittlerweile an der Tagesordnung. Dass man nach einem 4:2-Heimsieg über Holstein Kiel über eine starke Mannschaftsleistung spricht, die 31 Torschüsse der Kieler – die den Sieg eigentlich verdient gehabt hätten – dabei aber ignoriert, sollte Sorgen machen! Zwischen Selbstüberschätzung von eigentlich verdienten, gestandenen Spielern und realistischem Herangehen klafft beim DSC ungefähr so ein großes Loch, wie in der Tabelle zwischen der Mannschaft und den Aufstiegsplätzen. Nicht selten fragt man sich bei einigen Reaktion nach Abpfiff, ob die Spieler ein anderes Spiel gesehen haben als die Anhänger

5. Besserung? Womit denn?

Jetzt kommt an dieser Stelle eigentlich ein Absatz, der den Fans der Mannschaft Hoffnung machen sollte. Die einzige Hoffnung ist derzeit ein Blick auf die Tabelle, da die Konkurrenz im Abstiegskampf auch keine Lust zu haben scheint, sich aus selbigem zu verabschieden. Nürnberg, Fürth oder St. Pauli scheinen den Tabellenkeller auch der oberen Tabellenhälfte vorzuziehen. Aus eigener Kraft dürfte es für den DSC auf jeden Fall schwer sein, sich nach oben zu kämpfen. Mit einem ehrlichen Blick gab es in der gesamten Saison noch keine einzige über 90 Minuten zufriedenstellende Leistung. Die Remis gegen Darmstadt und Heidenheim kamen äußerst glücklich zustande, ebenso wie der Sieg gegen Holstein Kiel. Gegen Eintracht Braunschweig war es eine Mischung aus Fortune und einem völlig harmlosen Gegner, der am Ende den Dreier brachte. Hätte BTSV-Stürmer Ujah allerdings in der Anfangsphase seine Großchance verwertet, wäre der Spielausgang vermutlich ein anderer gewesen.

Dabei liegen die Probleme nicht nur in dieser Saison. Schon in der Bundesliga ließ die Arminia ein erkennbares Spielsystem vermissen. Frei nach dem Motto "Hoch und weit bringt Sicherheit", wurden die meisten Bälle geschlagen und die besten Wünsche an Janni Serra oder Fabian Klos gleich mitgeschickt. Dass Letztgenannter nun auch noch verletzt ist und seine Kollegen auf dem Platz nicht mal gehörig an der Ehre packen kann, hilft natürlich auch nicht. Während man in der letzten Saison unter Frank Kramer das Gefühl hatte, beim DSC fehle ein Plan B, scheint derzeit nicht mal ein Plan A vorhanden zu sein.

Arminia Bielefeld ist in dieser Saison nach einem Drittel ein Bundesliga-Absteiger, der von den Namen und vom Marktwert her um den Aufstieg spielen können müsste. Faktisch spielen sie aber um den Abstieg, weil keine Mannschaft auf dem Platz, kein System und kein unbedingter Wille zu erkennen ist. Man mag sich gar nicht vorstellen wo die Mannschaft stünde, hätte Außenstürmer Robin Hack nicht ab und an einen Geistesblitz. Angesichts der Leistungen wünscht man sich derzeit beim DSC Arminia Bielefeld als Anhänger sicherlich derzeit mehr denn je eine leistungsbezogene Bezahlung für die Spieler - oder Schmerzensgeld für die Anhänger!

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