Saisonfazit St. Pauli: Die mit dem Abstieg tanzen

Nachdem die Champions League in Barcelona einen würdigen Sieger fand, ist es wieder Zeit, sich noch einmal dem irdischen Fußball zu widmen. Und zwar dem Team, das sich im Bundesliga-Unterhaus mit 37 Punkten und einer Tordifferenz von Minus elf am Ende Rang 15 sicherte. Trotz einer 0:1-Schlappe am letzten Spieltag in Darmstadt lagen sich die Akteure des FC St. Pauli ähnlich in den Armen wie zuletzt Neymar, Messi, Suarez und Co. in Berlin. Denn auch sie haben großartiges geleistet. Mit dem Rücken zur Wand fanden sie zu ihrer wahren Stärke. Liga2online wirft einen Blick zurück auf einen Nicht-Abstieg, der an eine Meisterleistung grenzt.

Das lief nicht gut:

Lange Zeit fast alles. Bereits nach vier Spieltagen musste Trainer Roland Vrabec in Folge einer 0:3-Klatsche gegen Fürth seinen Hut nehmen. Auf ihn folgte St.-Pauli-Urgestein Thomas Meggle. Doch auch unter ihm stellte sich der Erfolg nicht ein. Stattdessen folgte der totale Einbruch: Zwischen dem 10. und 17. Spieltag holten die Kiezkicker magere zwei Punkte. Teilweise hanebüchene Defensivaktionen machten den FC St. Pauli zur Schießbude der Liga. Die Konsequenz: Platz 18, Sportdirektor Rachid Azzouzi musste gehen, Meggle beerbte ihn als Sportdirektor und Ewald Lienen wurde als Cheftrainer installiert. Klingt komisch, is’ aber so und is’ auch gut so. Denn danach wurde (fast) alles besser. Der Hang dazu, dem Gegner in der Anfangsphase Großchancen zu gewähren, blieb jedoch bestehen. Mal wurde das bestraft, mal nicht.

Das lief gut:

Unten Lienen schaffte es die Mannschaft, ihre defensive Stabilität zurück zu erlangen. Von der Schießbude der Liga blieb nicht mehr viel übrig. Ein einziges Mal verlor die Lienen-Elf seit dessen Amtsantritt mit mehr als einem Tor Unterschied. Im Angriff sorgte allerdings weiterhin eher Fortuna für die Tore. Das änderte sich erst als die Fortuna aus Düsseldorf am Millerntor gastierte und mit 4:0 abgefertigt wurde. Der Sieg diente als Initialzündung. Die Erfolge gegen die Aufstiegsaspiranten aus Leipzig und Kaiserslautern unterstrichen jedoch einmal mehr, wo die wahre Stärke der Hamburger liegt – im Kampf und Einsatzwillen. Wie die Berserker hefteten sich die Akteure an ihre Gegenspieler, zwangen sie vorne zu Fehlern und schmissen sich hinten in jeden Ball hinein.

Bester Spieler:

Der beste Spieler bei St. Pauli ist in dieser Saison der Trainer. Wenn man Ewald Lienen an der Seitenlinien beobachtet, könnte man sogar fast meinen, er würde tatsächlich mitspielen. Doch der Zettel in seiner Hand verrät ihn (neben seinem Alter und dem Trainingsanzug vielleicht). Lienen hat es geschafft, die Mannschaft zu einer Einheit zusammen zu schweißen und sie damit auf ihre größte Stärke zu besinnen - die mannschaftliche Geschlossenheit. Durch mehr eigenen Einsatz ist jeder Gegner klein zu kriegen.  Ehemalige Größen vom Kaliber eines Max Kruse, Daniel Ginczek oder Fin Bartels besitzt St. Pauli derzeit einfach nicht. Dafür aber jede Menge Tugend und ein tolles Publikum.

Schwächster Spieler:

Einen einzelnen Spieler herauszupicken wäre nicht angebracht. Zu viele Akteure sind diese Saison hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Vor allem im offensiven Mittelfeld und im Sturm haperte es aber (ante Lienen). St. Pauli schaffte es kaum, den Ball mal länger in den eigenen Reihen zu halten und zirkulieren zu lassen, bis sich eine Lücke ergibt. Auch schnellere Vorstöße wurden allzu häufig von schlechtem Abspiel zur Nichte gemacht.

Statt eines schwächsten Spielers gibt es vielmehr einen Verlierer der Saison. Und das ist trotz der eigentlichen Malaisen in der Offensive Schlussmann Philipp Tschauner, der seinen Platz zwischen den Pfosten an Robin Himmelmann eingebüßte. Verantwortlichen wie Fans ist jedoch klar, dass die Torwartposition zu keiner Zeit die Achillesverse der Mannschaft war.

Saisonhighlight:

In der Schlussphase der Saison machten sich sowohl Kaiserslautern als auch Leipzig noch berechtigte Hoffnungen auf einen Aufstiegsplatz. St. Pauli stand hingegen mit dem Rücken zur Wand. Nach mehreren gescheiterten Versuchen die Abstiegsplätze zu verlassen hatten die Hamburger nun auch noch das schwerste Restprogramm der Abstiegskandidaten.

Den Charaktertest bestand die Mannschaft mit Bravour. Statt sich aufzugeben hat sie ihre Gegner  zermürbt und niedergerungen bis sie sich schließlich sogar eine Niederlage gegen Darmstadt am letzten Spieltag leisten konnte. Der Doppelpack des südkoreanischen Jungspunds Kyoung-Rok Choi, den Lienen wie aus dem nichts in die Startelf beorderte, war sicherlich ein weiteres Highlight.

Bewertung der Transfers

Auch ohne viel Aktivität auf dem Transfermarkt hatte St. Pauli bei der Planung des Kaders eigentlich einen der oberen Plätze im Bundesliga-Unterhaus im Kopf. Das ging bekanntlich schief. Neuzugänge wie Ante Budimir, Daniel Buballa, Michael Görlitz oder Enis Alushi vermochten es nicht, der Mannschaft großartig Impulse zu geben. Vor allem über außen kam über die gesamte Saison zu wenig. Abwehrhüne Lasse Sobiech fand nach holpriger Hinrunde zurück zu alter Stärke.

Von den Winterneuzugängen konnten die Leihgaben Julian Koch und Waldemar Sobotta einigermaßen überzeugen, auch wenn sie ihren Vorschusslorbeeren nicht ganz gerecht wurden. Dass sie bei einem akut abstiegsbedrohten Verein allerdings nicht sofort ganz groß auftrumpfen, ist wenig verwunderlich. Armando Cooper kam indes über die Rolle des Reservisten nicht hinaus.

Der beste Transfer war sicherlich der von Ewald Lienen im Dezember.

Fazit:

Dass St. Pauli dem Abstieg entging, ist eine Meisterleistung Lienens, der an die Spieler glaubte und sie wieder zu einer Einheit formte. Egal welche Rückschläge seine Schützlinge auch erlitten, sie bewiesen eine große Qualität als „Stehaufmännchen“. Als sich die Schlinge bereits zuzog, brachte Ihr unbedingter Wille den Strick schließlich zum Reißen.

Mit Himmelmann, Sören Gonther, Marcel Halstenberg und Jan-Philipp Kalla ist zumindest die Defensivachse für die kommende Saison einigermaßen intakt. Dennis Daube (Union Berlin), Sebastian Schachten (Luzern), Florian Kringe (Karriereende) und Tschauner (Hannover) werden den Verein hingegen definitiv verlassen. Zudem enden die Leihverträge von Sobiech, Sobotta und Koch.

Zwar ist die Mannschaft gefestigter als zuvor, doch um eine weitere Seuchensaison zu vermeiden, herrscht vor allem in der Offensive Handlungsbedarf. Gleichzeitig soll aber das Budget leicht gesenkt werden. Derzeit ist außer der Vertragsverlängerung von Himmelmann noch kein Vollzug des Gespanns Meggle/Lienen zu vermelden.

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