Irrsinn in Hannover: Warum man sich jetzt sorgen muss

Was ist los in Hannover? Das fragen sich nicht nur Außenstehende, das verstehen auch die eigenen Fans nicht mehr wirklich. Spätestens seit dem Bundesliga-Abstieg werden zahlreiche Entscheidungen getroffen, die nur noch schwer nachzuvollziehen sind - von Lippenbekenntnissen und Arbeitsverträgen ganz abgesehen. Ein Kommentar.

Kurzweilige Jobgarantie

Die Historie von Hannover 96 ist mit Europapokal-Auftritten, Aufstiegsfeiern und legendären Spielern verknüpft. Aber genauso, wie der Glanz von früher verblasst, zählen in Niedersachsen auch die Worte von gestern nur noch selten. Die Jobgarantie von Jan Schlaudraff als Sportdirektor war gerade einmal 17 Tage alt, da wurde sie schon wieder aufgehoben. Aber der Ex-Profi ist nur die Kirsche auf der Sahnetorte, das berüchtigte i-Tüpfelchen oder der Sündenbock für die katastrophalen Ausmaße, welche die sportlichen Entscheidungen allmählich nach sich tragen - je nachdem, aus wessen Perspektive man schaut.

Was will Klubchef Martin Kind den Anhängern jetzt erzählen? Dass Schlaudraff nach sechs Monaten gehen musste, weil es sportlich nicht lief? Oder das Gerhard Zuber vor dem Arbeitsgericht einen Sieg erringen konnte, der die Hannoveraner schmerzhafter trifft, als die zahlreichen Heimpleiten in dieser Saison? Immerhin holte Ex-Manager Horst Heldt, der bekanntermaßen ein ganz anderes Übel für den Klub gewesen sein soll, den Österreicher nach Hannover und installierte ihn als Sportlichen Leiter. In dieser Position wollte man Zuber aber nicht mehr sehen. Auch nicht woanders, man wollte ihn gar nicht mehr sehen. Jetzt ist er wieder da, genießt sogar das "vollste Vertrauen".

Zuber von 0 auf 100

Die Mechanismen im Hintergrund eines Fußballklubs sind für den normalen Fan selten zu greifen, wenngleich die Transparenz manchmal für hilfreiche Authentizität sorgen könnte. Zu groß ist aber die Gefahr, sich in der modernen Welt daran die Finger zu verbrennen. Und so kehrt Gerhard Zuber eben in seinen Job zurück. Kommissarisch, auf Zeit natürlich. Schließlich wurde der 44-Jährige zuletzt "kaltgestellt", durfte im vergangenen Halbjahr weder bestimmte Räumlichkeiten noch das interne Computernetzwerk der Niedersachsen nutzen. Internas wird der Österreicher wahrscheinlich so viele kennen, wie der besagte normale Fan.

Und dieser Gerhard Zuber soll jetzt die Aufgaben von Schlaudraff übernehmen, der zuvor als hochgelobter Neuling das Ruder rumreißen sollte - und nur selten durfte. Trainervorschläge bekam er nicht durchgesetzt, Transfers hakten auf beiden Seiten. Das muss Zuber jetzt besser machen. Keine Frage, die Qualität eines Zubers ist durchaus gegeben, für die Umstände seiner Wiedereinsetzung kann er nur bedingt etwas. Aber der Österreicher klagte eben auch vor dem Arbeitsgericht, um die Befristung in seinem Vertrag aufzulösen - jetzt soll er aus Sicht der Anhänger der Retter werden? Mal ganz abgesehen von seiner eigenen Ansicht zu den Geschehnissen muss er jetzt immerhin abliefern, wie es im Vertrag geschrieben steht.

Hannovers Glaubhafigkeit sinkt

Erneut stellt sich die Frage, was die Geschäftsführung den Fans damit glaubhaft machen will. Wie überhaupt etwas in der verworrenen Außendarstellung noch glaubhaft sein soll. Vereinslegende Jörg Sievers entschied sich nach 30 Jahren mit sämtlichen Höhen und Tiefen bereits gegen den Klub. Er kennt Martin Kind, er kennt seine Macken, er kennt aber auch seine Taten für den Klub. Und trotzdem ging Sievers, obwohl man bei aller Kritik nicht vergessen darf, wo Hannover möglicherweise ohne Martin Kind stünde.

Umso zielloser, umso planloser wirkt der aktuelle Weg der Niedersachsen. Es scheint, als müsse der Klub auf Biegen und Brechen den Weg nach oben suchen, besser früher als später. Ein Verlust von 34 Millionen Euro brachte der letzte Abstieg ein, doch wie gewichtig ist diese Zahl wirklich? Wie steht es tatsächlich um die finanzielle Situation des Klubs, dass Namen und Personen nur noch wie Schall und Rauch erscheinen? Sorgen bereitet daher nicht Klubchef Martin Kind, Sorgen bereitet dem normalen Fan der ganze Verein. Denn mit der aktuellen Marschrichtung stehen die Hannoveraner der 3. Liga wohl näher, als der Rückkehr in bessere Zeiten.

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