Kommentar: Baumgart hat sich in Paderborn ein Denkmal gebaut

Weil er eine neue Herausforderung sucht, wird Steffen Baumgart den SC Paderborn am Saisonende verlassen. Damit findet eine vierjährige Erfolgsgeschichte ihr Ende, in der Baumgart sich ein Denkmal gebaut hat. Ein Kommentar.

Dem SCP neues Leben eingehaucht

Vor der Benteler-Arena des SC Paderborn gibt es eine Straße, die genau 82,3 Meter lang ist. Sie heißt "Moritz-Stoppelkamp-Allee" und erinnert an das Tor des 34-Jährigen im September 2014, als er aus besagten 82,3 Metern das weiteste Tor der Bundesliga-Geschichte erzielte. Eine Straße, die nach Steffen Baumgart benannt ist, gibt es noch nicht. Dabei waren die Verdienste des 49-Jährigen für den SCP weitaus größer, als die von Stoppelkamp.

Rückblick: Als Baumgart vor fast genau vier Jahren an einem Ostermontag nach Paderborn kam, stand der SCP nach zuvor zwei Abstiegen in Folge auf dem drittletzten Platz der 3. Liga und hatte vier Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Den sportlichen Abstieg in die Regionalliga konnte er zwar nicht verhindern, sorgte mit einer Serie von elf Punkten aus den letzten fünf Spielen aber dafür, dass der SCP immerhin Drittletzter wurde und somit Nutznießer war, als 1860 München keine Drittliga-Lizenz erhalten hatte. Bemerkenswert war auch, dass Paderborn - obwohl der Verein zu diesem Zeitpunkt eigentlich klinisch tot war - nur fünf Tage nach dem sportlichen Abstieg den Landespokal gewann und sich damit für den lukrativen DFB-Pokal qualifizierte - ebenfalls ein Verdienst Baumgarts. Dem oftmals knurrig wirkenden und selten lächelnden Rostocker war es gelungen, dem SCP in der größten Krise seiner Vereinsgeschichte nach einem beispiellosen Absturz von der Tabellenspitze der Bundesliga bis in die Niederungen der Drittliga-Rangliste neues Leben einzuhauchen. Und wie!

In der darauffolgenden Saison pflügten die Paderborner nur so durch die Liga, stellten mit 90 Toren einen neuen Drittliga-Rekord auf schafften am Ende - nur ein Jahr nach dem sportlichen Abstieg in die Regionalliga - den Aufstieg in die 2. Liga. Dort angekommen, hielt Baumgart an seinem System mit gnadenlosem Pressing und spektakulären Offensivfußball fest - und führte die Ostwestfalen auf direktem Wege in die Bundesliga. Was für eine irre Entwicklung. Und selbst im Oberhaus ließ sich der 49-Jährige nicht von seiner Spielidee abbringen, was ihm und dem ganzen Verein stapelweise Lob und Anerkennung, wenn auch kaum Punkte einbrachte. So ging es zwar direkt zurück in die 2. Liga, doch der Abstieg fiel nicht schwerer ins Gewicht, nachdem der Aufstieg ohnehin nur ein Betriebsunfall gewesen war.

310 Tore in 159 Spielen

Längst hatte sich Baumgart einen Namen gemacht und den SC Paderborn zudem von seinem Graue-Maus-Image befreit. Immer wenn es Spektakel gab, war Paderborn dabei. Man denke an ein 5:3 in Köln, ein 4:4 gegen Magdeburg und Kiel, ein 6:2 gegen Darmstadt oder ein 6:0 gegen Fürth. Selbst die Bayern hatte Paderborn in der vergangenen Saison gleich zweimal am Rande eines Unentschiedens. Die beeindruckende Bilanz des SC Paderborn unter Steffen Baumgart sind 310 Tore in 159 Pflichtspielen - also knapp zwei Treffer pro Partie.

Doch nicht nur mit seinem Offensivfußball sorgte der 49-Jährige für Aufsehen. Auch mit seinen klaren Analysen nach den Partien - unter anderem im Anschluss an das Pokal-Aus beim BVB - sammelte er bundesweit Sympathien. Baumgart ist nicht einfach nur ein Trainer: Er lebt den Fußball mit jeder Faser, ist gradlinig und verstellt sich kein bisschen. Kurzum: Der nun scheidende Coach passte mit seiner Mentalität perfekt nach Paderborn. Mit seinen Verdiensten um den SCP, der ohne ihn wohl in der Regionalliga spielen würde, hat er sich ein Denkmal gebaut. Man sollte keine Straße nach ihm benennen, sondern eine Statue von ihm vor das Stadion stellen. Angemessen wäre es.

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